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Rauminformation

    Die getrennte Erfassung von Rauminformationen

     

    Die gleichzeitige Übertragung von Direkt- und Rauminformationen mittels eines einzigen Mikrofons (“Ein- bzw. Hauptmikrofontechnik”) war bei lautstärkemäßig ausgeglichenen und sorgfältig aufgestellten Klangkörpern sowohl bei der Monofonie als auch bei der Zweikanalstereofonie eine Idealforderung. Praktisch wurde lediglich ein Kompromiß bei der Wahl der günstigsten Hallbalance (= Hallabstand, Hallradius, critical distance o.ä.) durch Ermittlung des zweckmäßigsten Mikrofonabstandes zum Klangkörper erzielt. Diese Hallbalance variiert jedoch durch den impulshaften Charakter von Musik, Sprache und Geräuschen sowie infolge der Richtcharakteristik von Instrumenten ständig und weicht somit häufig von dem dafür angenommenen Energiegleichgewicht im eingeschwungenen Zustand ab. Der Mikrofonstandort ist somit auch vom Werkcharakter usw. abhängig. Die rechnerische Ermittlung ist daher weder für den stationären noch den impulshaften Fall ausreichend, sie liefert nur eine Orientierung.
    Da die Wiedergabe von Direkt- und Rauminformation bei Zweikanalstereofonie gemeinsam über die gleichen Lautsprecher erfolgt, sind die beim natürlichen Hören an einem „optimalen“ Hörerplatz im Ursprungsraum gegebenen Schallfeld-Verhältnisse nach der Übertragung wenig nutzbar und müssen anders zusammengesetzt werden, um eine weitgehend ähnliche Wirkung zu erzielen und hohe Durchsichtigkeit beizubehalten.
    Eine sog. naturgetreue Übertragung wird ohnehin nicht angestrebt, dagegen eine natürlich zu empfindende. Die dabei oft erreichte bestmögliche Imagination (= Klangvorstellung) für das jeweilige Schallereignis ist die große schöpferische Leistung des Tonmeisters, der dabei auch das fehlende Anwesenheitsgefühl und die sonst zusätzlichen optischen Eindrücke durch die Wahl seiner Mittel ersetzen muß und das sinnvollste D/R- Energieverhältnis nach klangästhetischen Gesichtspunkten wählt.
    Puristische Lösungen setzten sich daher weniger durch. Alle (technischen) Mittel erscheinen legitim, wenn der Tonmeister die hohen Klangbildanforderungen auf seine Weise realisiert, ohne Verdeckungserscheinungen und andere Beeinträchtigungen merkbar werden zu lassen.

    Die ursprüngliche Anwendung von Stereo-Intensitätsmikrofonen wurde durch                                                                            unterschiedliche Laufzeitanordnungen (distanzierte A/B-Mikrofongruppen, mit und ohne Trennkörper) weitgehend verdrängt, die zwar geringere Lokalisationsschärfe aufwiesen, aber eine Pseudoräumlichkeit vermitteln konnten, die für die Aufnahmepraxis hilfreich war, um mit möglichst wenig (Haupt-) Mikrofonen auszukommen. Das Äquivalenz-Mikrofon nach G.Theile bringt meist bessere Ergebnisse; eine getrennte D/-R-Bearbeitung ist allein damit aber auch nicht möglich bzw. zunächst nicht beabsichtigt. Nach Vorschlägen von J.Bruck et al. kann dieses Kugelflächenmikrofon mit  Achter-Mikrofonen unmittelbar am Kugelkörper zur gleichzeitigen Raumsignalaufnahme kombiniert werden; bei spezieller Matrizierung für ein abzuleitendes M-Signal nach Gerzon. 

    Um mit der Aufstellung eines (einzigen) Hauptmikrofones dem dort herrschenden Klangbild nicht völlig „ausgeliefert“  zu sein, hatte man sich schon frühzeitig entschlossen (sowohl bei der Monofonie als auch bei der Zweikanal-Stereofonie), in vielen Fällen (außer notwendigen Stütztmikrofonen) neben dem Hauptmikrofon – das dann dem Schallquellenbereich näher kommen kann -, auch ein (oder mehrere) Raummikrofone einzusetzen, um dieses D/R-Verhältnis durch getrennte Dosierung besser abwägen und ggf. den Raumschall noch getrennt behandeln zu können (mittels Dynamikbeeinflussung, Klangfarbenfilterung usw.).


    Noch vor der Einführung der jetzt üblichen seitenbezogenen Zweikanal-Stereofonie gab es auch Vorschläge für eine raumbezogene Zweikanaltechnik. Buttenber ließ sich 1951/52 ein solches Verfahren der jeweils  - noch einkanaligen - getrennten Übertragung von Direkt- und von Rauminformationen patentieren. L. Keibs griff 1960 diese Idee für zweikanalige und vierkanalige Übertragungen auf. Seine (auch damals patentierte) Verfahrenslösung der Stereo-Ambiofonie wurde vom Rundfunk- und Fernsehtechnischen Zentralamt der Deutschen Post (G. Steinke, K. Wagner, W. Hoeg) vom Labortest bis zur praktischen Anwendung im Aufnahme-Studio, gemeinsam mit weiteren Tonmeistern und Toningenieuren realisiert.

     Da vierkanalige Aufzeichnungen und Ausstrahlungen seinerzeit nur im Labormaßstab möglich waren, wandten die Tonmeister (K. Wagner, H. Jäckel, L. Hübner u.a.) die Grundzüge des Verfahrens auch bei vielen normalen zweikanaligen Stereo-produktionen an. Daher sind viele grundlegende Erkenntnisse, wie sie auch mehrfach veröffentlicht wurden insbesondere die getrennte Erfassung von Direkt- und Rauminformationen auch heute noch gültig. 

    Die erneute Suche nach nur einem einzigen “Hauptmikrofon” beim 3/2-Format ist daher nicht recht einsehbar. Es erscheint vielmehr konsequent, wenn man nun bei der Möglichkeit separater Surroundkanäle auch dazu übergeht, die direkten und die indirekten (reflektierten, ambienten) Schallinformationen getrennt zu erfassen und (vorzugsweise) auch getrennt wiederzugeben. Das muß nicht unbedingt ‚Polymikrofonie‘ für die Direktinformationen bedeuten (wie häufig unterstellt wird), es wird in jedem einzelnen Anwendungsfall – Klassik, Pop, Sport, Dokumentation, Film, Hörspiel, mit oder ohne Bildbegleitung, usw. – die jeweilige Mikrofonierung sowohl für D- als auch R-Informationen neu zu entscheiden sein. Kompakte Mikrofongruppierungen für die Direktinformationen (ob für 2,3 oder 5 Kanäle vorn) können dabei durch ihre “Arraywirkung” (Zeilenwirkung) nachteilige Nebeneffekte, insbesondere bei tiefen Frequenzen sowie den kompatiblen Fassungen, aufweisen (s. Abschn. 5.4). Dies hatte bereits W. Woszczyk auf der 17.Tonmeistertagung ausführlich erläutert.Für den Fall der Außenaufnahme und -übertragung können dagegen bestimmte kompakte Mikrofongruppen praktikable Vorzüge haben; im Innen-Studiobereich wird der Vorteil der getrennten Behandlung von D- und R-Informationen mittels diskreter Lösungen (bis zur Polymikrofonie hin) überwiegen.


    Betrachtet man dazu anhand der prinzipiellen Zielsetzung für die mehrkanalige Übertragung die Anforderungen für die Mikrofon-Anordnung zur Aufnahme ausgedehnter Klangkörper  so lässt sich die Frage leichter entscheiden, ob dafür eine sog. Hauptmikrofon-Anordnung oder diskretere Lösungen gewählt werden sollten.

    2. Anforderungen (Aufgabenstellung) für eine Haupt-Mikrofonanordnung für das 3/2-FormatObwohl hier vorwiegend auf die Raumsignalgewinnung eingegangen wird, ist der Bezug zur Gesamtaufgabenstellung notwendig, da auch Vorschläge für Kompaktanordnungen zur gemeinsamen D- und R-Signalaufnahme angeboten werden und eine Abgrenzung dazu gefunden werden soll Ausgehend von der eingangs aufgestellten Zielsetzung für die elektroakustische Übertragung, sollte eine Hauptmikrofonanordnung für das 3/2-Wiedergabeformat ermöglichen:
     

  • Aufnahme und Übertragung der natürlichen Richtungsverteilung und Tiefenstaffelung von mehreren, meist flächenhaft verteilten Schallquellen (d.h. Schallquellenzonen in bestimmtem Bündelungsmaß gemäß den Gesamt-Abstrahlungseigenschaften von Klanggruppen und Orchester, die wiederum mit bestimmtem Bündelungsmaß der Mikrofone zu erfassen sind!),                       
  •     aber auch

  • Erzielung einer flächenhaften Abbildung, Herstellung erwünschter D/R-Verhältnisse für die Wiedergabe der einzelnen Teilschallquellen, - insbesondere als Relation zwischen früher und später Schallenergie (etwa mit fließender 80ms-Grenze) zur Verdeutlichung von Tiefenstaffelung und Balance.
  • getrennte Aufnahme (zur separaten Bearbeitung, Übertragung und Abstrahlung)der frühen (seitlichen) und diffusen ambienten Rauminformationen zur Erzielung des umhüllenden räumlichen Eindrucks und dem jeweils gewünschten Grad der Einbeziehung.
  • verfärbungsfreie Übermittlung der natürlichen Klangfarbe und Dynamik
  • Signalgewinnung für verschiedene Anwendungen und Formate bei Einhaltung der jeweiligen Kompatibilitätsbedingungen.. Daraus kann man ableiten, dass
  • für alle Programmarten eine jeweils spezifische Behandlung sowohl der Direkt- als auch Rauminformationen zu ihrer adäquaten Abbildung erforderlich sind!

      5. Bedingungen für die Mikrofonpositionen zur Erfassung von Rauminformationen

    5.1 Vorbedingungen

      Das Raummikrofon/die Mikrofone sollte(n) in akustisch hochwertigen Aufnahmeräumen.

    - so weit wie möglich von den Schallquellen (Klangkörper) entfernt sein, um möglichst wenig Direktinformationen zur Vermeidung einer Ortung der Schalleinfallsrichtung aufzunehmen,

    - reflektierender Schall sowohl aus dem vorderen Raumteil als auch dem hinteren Raumteil erfassen, dabei so viele und so dichte nützliche Reflexionen mit relativ hohem Pegel wie möglich (also meist außerhalb des Hallradius, s.o.),

    - soweit entfernt sein, dass der Abstand zwischen „Hauptmikrofonebene“ und Raummikrofonebene zeitlich unterhalb der 2 Verwischungsschwelle“ liegt, aber auch zu den entferntesten Schallquellen (z.B. Schlagwerk) einen kritischen Abstand nicht überschreiten, damit man noch genügend weit von der „Echogrenze“ ist.

    - bei Anordnung im hinteren Teil des Aufnahmeraumes möglichst wenig störende Publikumsgeräusche während der eigentlichen Aufzeichnung erfassen, allerdings ausreichend und wenig korrelierten Beifall

    Daraus ergeben sich mehrere Varianten für die Anordnung von Raummikrofonen, je nach Größe und Eigenschaft des Aufnahmeraumes, Werkcharakter, Klangkörpergrößen usw. Während der Einsatz von Laufzeitverzögerungsgeräten für Stützmikrofone meist unumgänglich ist, ist solcher für Raummikrofone nicht immer erwünscht bzw. möglich. Es ergeben sich aber auch Konsequenzen für die Art und Weise der Abstrahlung in den Wiedergaberaum.

    Der relativ übersichtliche Fall einer Klassikaufnahme in großem, akustisch hochwertigem, diffusem Saal mit großem Sinfonieorchester wird hier nur als markantes Beispiel gewählt. Viele weitere Fälle können meist daraus abgeleitet werden. Für Aufnahmen im Freien (Hörszenen, Dokumentationen, Umzüge usw.) können/müssen jedoch meist völlig andere Gesichtspunkte und die Praktikabilität beachtet werden, die zu kompakteren Mikrofongruppen für die Ambienzaufnahme führen können. Sie werden zunächst an anderer Stelle behandelt (u.a. VDT-Seminar Basel).

 

    5.2 Wo entstehen die zu erfassenden Raumreflexionen?

    Für die Abstrahlung der Rauminformationen sind die zahlreichen vorliegenden raumakustischen Untersuchungen in guten Sälen zugrunde zu legen, wie sie seit E. Meyer, 1956/57(!) mit Definition der „Einbeziehung“ durch frühe Seitenreflexionen), später von Junius, Schodder u.a. bei Untersuchungen in der Stuttgarter Liederhalle, und schließlich aus vielen neueren Untersuchungen von Barron, Marshall, Griesinger u.a. bekannt geworden sind.

    Aus diesen Erkenntnissen sind ständig Anregungen für die Mikrofon-Positionierung zu erhalten, die aber für den jeweiligen Anwendungsfall (auch bzgl. der Impulslängen je nach Charakter der aufzunehmenden Signale), aufgrund der stets unterschiedlichen Decken- und Wandstrukturen zu modifizieren sind (Ein Beispiel für derart komplexe Probleme ist die Berliner Philharmonie, deren architektonische Gestaltung und somit nicht homogene Akustik auch der Akustiker, Prof. L. Cremer gegen den unnachgiebigen Willen von Scharoun nicht wesentlich beeinflussen konnte, und die daher besondere Überlegungen für die Raumsignalgewinnung erfordert).

    Nach Junius (s.o.)  kommen für einen guten Platz in einem Saal (z.B. die 18. Reihe der Liederhalle Stuttgart) ein Hauptteil der Informationen in den ersten 50ms bzw. 100 ms aus der Umgebung des oberen Teils der vorderen senkrechten Raumkanten und der Umgebung der oberen Deckenkanten.  Es ist verständlich, dass man derartige Reflexionen (z.B. mit über dem Klangkörper angebrachten Mikrofonen)  weniger aus den hinteren/seitlichen Surroundlautsprechern abstrahlen lassen sollte, sondern der Natürlichkeit wegen und ohne die Durchsichtigkeit merklich zu verschlechtern, auch aus den vorderen Lautsprechern, die für die Front-/Direktsignale zuständig sind.

    Für eine ausreichende Einhüllung benötigt man aber zusätzlich die frühen Seitenreflexionen des Saales aus dem mittleren und hinteren Bereich des Aufnahmeraumes.

    Wie Messungen und Berechnungen zeigen, weisen die Reflexionen im hinteren Teil des Raumes sehr dichte Reflexionsfolgen mit geringerer Abklingsteilheit der Hüllkurven auf als die schnell abklingenden Reflexionen des vorderen Bereichs (Bild 1a/b). Diese Informationen sind im allgemeinen infolge längerer Laufwege und mehrmaliger Reflexion in der Intensität geringer als die aus dem vorderen Halbraum. Das ist für die spätere Abstrahlung zu beachten (die daher schon früher geübte Kompression in geeigneter Größe hat sich daher auch bei neueren Mehrkanalproduktionen bewährt, ist aber sicher nicht zu verallgemeinern). 

     (Eine ausreichende Einhüllung erzielt man dann mit zusätzlichen, dazwischen und auch von oben abstrahlenden Lautsprechern und Lautsprecher mit diffuser Abstrahlcharakteristik).

    5.3 Welche Abstände bzw. Anordnungen sind für die Raummikrofone sinnvoll?

    Aus dem eben dargelegten kann man folgern, dass dafür mehrere Mikrofongruppen (vorzugsweise distanzierte Richtmikrofonpaare, aber auch Kugelmikrofone wurden erfolgreich verwendet, mehr als 3-5m voneinander entfernt) im vorderen, mittleren und hinteren Raumteil zweckmäßig erscheinen:

            Raummikrofone im vorderen Raumteil:

    Variante a

    Aufstellung oberhalb Zuhörerebene Max. Abstand von der Hauptmikrofonebene:

     ca. 10m , bei einer max. Orchestertiefe von ca. 12m.

    Vorteil: Eine Verzögerung der Direktinformation (gemäß Stereoambiofonie-Verfahren) ist noch nicht erforderlich (Echogrenze beachten).

    Nachteil:

    - trotz der Verwendung von Richtmikrofonen enthalten erfahrungsgemäß die Raumsignale noch zu viel Direktinformationen, die mitunter störende Lokalisationen auf Einzelquellen bewirken können. Dagegen könnte man bei 3/2-Wiedergabe durch eine sehr geringe Verzögerung der Raumsignale – wie u.a. von E. Sengpiel (z.T. auch bei DENON) postuliert wird – mittels des Präzendenzeffekts zwar die Vornortung über die Frontallautsprecher verbessern (so wie die alte Dolby-Pro-Logic-Technik funktionierte), aber natürlich zeigt sich sehr schnell die Gefahr von Echos, zumindest Verwischungen. Auf jeden Fall wäre eine zusätzliche Verzögerung in der Größenordnung von ca. 30 ms ungeeignet.

    weiterer Nachteil: mit einer Originaldarbietung aufgenommener Beifall wird mit vorn abgebildet.

    Variante b

    Aufhängung der Raummikrofone oberhalb und in nahezu gleicher Ebene der Hauptmikrofone, mit in die vorderen oberen Raumecken gerichteten Mikrofonen. Diese Methode wurde 1968 von Tonmeister Klaus Wagner entwickelt und danach häufige Praxis der Tonmeister bei Zwei- und Vierkanalaufnahmen. 

    Vorteil:

    -     eine gesonderte Verzögerung der Direktsignale ist nicht erforderlich.

    - die Reflexionen im vorderen oberen Raumteil werden gut erfasst, und können dem Direktanteil, getrennt dosiert z.T. auch den Surround-Lautsprechern (nicht über 20 ms verzögert) zugemischt werden.

    - Verfahren eignet sich sowohl für 2-Kanal als auch 5-Kanalaufnahmen.

    - Gefahr der Vornabbildung von Beifall wird gegenüber Variante a) verringert.

    - Variante b) kann mit Variante d) kombiniert werden

    Nachteil:

    es entsteht kein ausreichend optimales Raumsignal für die LS/RS-Lautsprecher zur

       „Einhüllung“, da zuwenig Seitenschall und kein Reflektierterschall aus dem

        hinteren

           Raumteil enthalten ist.                                            

    Anmerkung:

    Wie die Praxis zeigt, ist nur ein geringer Zusatz dieses Raumsignals erforderlich, zumal die Durchsichtigkeit nicht verringert werden soll. Im Endeffekt würden Anfangsreflexionen reichen.

    Aufhängung von Raummikrofonen im mittleren Raumteil

    Variante c) Aufhängung oberhalb der mittleren Zuschauerebene

    Vorteil:

    - Raumsignale mit vorwiegend Seitenschall (für den Raumeindruck) können über eine

    Dekorrelationseinrichtung (Verzögerungsgerät bzw.

    Nachhallgerät mit kurzer Nachhallzeit und vier Ausgängen) sowohl den Direktsignalen als auch Surroundsignalen zugemischt werden, um eine Bindung der Frontal-Signale mit weiteren Raumsignalen aus dem hinteren Raumbereich zu erhalten.

    Nachteil:  Ein großer   Aufwand

    Aufhängung der Raummikrofone im hinteren Raumteil

    Variante d) Vorzugsvariante für Klassik

    Mikrofone hinten oben aufgehangen, nach den hinteren Raumecken zeigend, nicht zu nah an Wänden und Decke (um keine Störreflexionen zu erfassen). Abstrahlung über separate Surround-Lautsprecher LS/RS (in der Zweikanaltechnik Addition zum Fronsignalpaar), bei entsprechender Verzögerung der Frontsignale.

    Dieser Vorschlag wurde bereits 1960 von L. Keibs für die Stereoambiofonie gemacht; er gilt natürlich für jede Anwendung in der 2-, 4- und 5-Kanaltechnik, und wurde danach regelmäßig bei vielen Rundfunkproduktionen angewendet sowie auch 1992/93 für die Telekom-Produktionen im Gewandhaus Leipzig genutzt .

    Vorteil:

    - es sind kaum Direktanteile in den Signalen enthalten, die eine Lokalisation auf die Schalleinfallsrichtung vom Klangkörper verursachen können,

    - die Raumsignale bestehen aus diffusen, dichten Reflexionsfolgen, die im gewünschten Pegelverhältnis zugemischt werden können.

    - durch Wahl der geeigneten Verzögerungszeit für alle Direktsignale (d.h. auch der dazu verzögerten und gesondert bearbeiteten Stützmikrofone) -Bezugspunkt ist die Ebene der Hauptmikrofongruppe - kann der virtuelle Hörerplatz (z.B. vorn, nahe dem Klangkörper, oder im hinteren Saalteil) nach Belieben gewählt werden.

    - die Wahl des gewünschten D/R-Verhältnisses kann ohne Beeinträchtigung des Direktsignals (hinsichtlich Durchsichtigkeit usw.) erfolgen.

    - die Raumsignale können separat bearbeitet werden hinsichtlich Dynamikverringerung,  

    - Klangfarbe (Anhebung bis 500 Hz zur stärkeren Empfindung der Einhüllung; evtl. weiterer Nachhallzusatz usw.)

    - die Kompatibilität der Rauminformation lässt sich besser beherrschen, wenn deren M- und S-Anteile unabhängig voneinander geregelt werden können.

    Nachteil:

    Aufwand für (hochqualitative!) Verzögerungstechnik.

    Die Synchrongrenze infolge des max. Bildtonversatzes von 40 ms ist zu beachten.

    Die bei der zuletzt erläuterten Variante mögliche Nachbearbeitung wurde in vielen Fällen auch derart erweitert, dass die Raumsignale des hintersten Mikrofonpaares über Umsetzer geführt und in M/S-Signale gewandelt wurden. Die dann mögliche 

    Änderung des Verhältnisse zugunsten des S-Anteils ergibt durch den stärker werdenden gegenphasigen Anteil eine Vergrößerung des Effektes der Einbeziehung. Es darf allerdings noch nicht das Gefühl des Druckes auf den Ohren entstehen. Auch darüber war bereits früher berichtet worden.

    Vorteilhaft ist in diesen Fällen auch, wenn man mehr als zwei Lautsprecher für die Surroundsignalabstrahlung benutzt oder die Richtcharakteristik der LS/RS-Lautsprecher zu diffuser Abstrahlung hin verändert werden könnte. Vorschläge wurden dazu auch schon früher gemacht. An diesem Punkt ist die Entwicklung nicht beendet.

    Anmerkung:

    Die getrennte Behandlung von Richtung und Raum erlaubt bzw. bedingt auch größere Nähe der Hauptmikrofongruppe zur Klangquelle, soweit wie noch der Raumeinfluß zur Klangfarbenbestimmung für die jeweilige Teilschallquelle berücksichtigt werden muss. Damit werden sich also andere Abstände zum Klangkörper (usw.) gegenüber der konventionellen Zweikanal-Stereo-Hauptmikrofonanordnung ergeben (Vorteil!?), wobei Widersprüche bei der technisch-künstlerischen Kompatibilität zwischen 2/0 und 3/2-Aufnahmen auftreten können.

    Dagegen ergibt sich als weiterer Vorteil dieser Methodik, dass charakteristische akustische Eigenschaften des Aufnahmeraumes wiedergegeben, unterdrückt oder verstärkt werden können. 

      

    5.4 Raumsignalaufnahme bei Kompakthauptmikrofon-Anordnungen

    M.Williams hatte bereits 1991 Vorschläge u.a. für eine 4- und 5-Kanaltechnik mit Mikrofonarrays in Kreuzform gemacht. G. Theile nutzt eine 4-kanalige Kreuzform für die Aufnahme der akustischen Atmosphäre, insbesondere im Freien. Für Aufnahmen großer Klangkörper in Sälen sind sie wegen der geringen Mikrofonabstände, insbesondere wegen der Korrelationsprobleme bei tiefen Frequenzen weniger geeignet; es soll hier nicht näher darauf eingegangen werden.

    T.A.Fukada von NHK entwickelte den “Fukada-Tree” unter Verwendung des sog. Decca-Baumes (Dreieck, in USA mit Kantenlänge 1,5 m), kombiniert mit weiteren Außenmikros und hinteren Surroundmikros mit ca. 180 cm Abstand, sowohl für Innen- als auch Außenaufnahmen (Bild 4). Eine Lösung, die der 1997 von V. Henkels/U. Herrmann auf ähnlicher Basis gefundenen ähnelt, die von einem Hersteller irreführend mit “standardisierter INA-..” - Anordnung propagiert wird (sie ist weder standardisiert noch ideal). Letztere verwenden Kantenlängen von 35 bis 176 cm und beziehen sich auf die bekannten Williams-Kurven, die allerdings nur für Zweilautsprecherwiedergabe gelten.

    Alle diese “Baum-Lösungen” wollen den Präzendenzeffekt für eine akzeptable stereofone Auflösung der Frontsignale sowie der Trennung zu den Surroundsignalen ausnutzen. Während dieser Präzendenzeffekt für Stützmikrofone akzeptabel ist sowie in der Beschallungstechnik (insbesondere beim DSS-Verfahren) ausreichend zur richtungsgetreuen Quellen-Lokalisation verhilft, reichen diese psychoakustischen Wirkungen für die hochwertige Surroundmikrofonaufnahme nicht immer aus. Es ist zu berücksichtigen, dass der Präzedenzeffekt nur unter bestimmten Vorbedingungen funktioniert: seine Frequenz- und Pegelabhängigkeit, ferner der Einfluss der Impulsdauer (bei Musik und Sprache) sowie kognitive Wechselwirkungen machen die Anwendung keinesfalls so übersichtlich, wie oft angegeben. Blauert hat dies eingehend dargestellt. Die Erfahrungen in der Beschallungstechnik bestätigen die Problematik. Dazu kommen die erwähnten Kompatibilitätsprobleme durch die Gruppenwirkung.

    Ihre Anwendung für die Gewinnung der Surroundsignale ist daher nicht in allen Fällen empfehlenswert;

            

                                                              

     die Grenzen sind bei den einzelnen Raummikrofonvarianten ableitbar. Dagegen dürften die genannten Anordnungen berechtigten Nutzen bei Außenproduktionen besitzen.

    6. Zusammenfassung der Forderungen an Mehrkanal-Sterofonie für
       Surround-Sound:Heutzutage verstehen wir die psycho- und raumakustischen Zusammenhänge zur Empfindung von Räumlichkeit und Einhüllung besser als multidimensionale perzeptuale Attribute, die - etwa im Konzertsaal - durch Anfangs-Seitenreflexionen sowie durch diffusen Nachhall und seiner Lautheit verursacht werden.Daher erwarten wir bei der “Surround-Sound-Wiedergabe“, je nach Zielsetzung und Programmgenres, z.B. für klassische Musik:

    - klare Lokalisation der von den Frontalstrahlern wiedergegebenen Schallquellen bezüglich Richtung und Entfernung, die auch bei einem bestimmten Pegel der Signale aus den Surround-Lautsprechern erhalten bleiben soll,

    - einen der Hörerwartung entsprechenden Raumeindruck, d.h. die Vermittlung der angemessenen Art und Größe des Aufnahmeraumes, sowie

    - ausreichende Räumlichkeit, d.h. genügend Anfangsreflexionen um die Schallquellen herum, die somit auch eine diffuse Reflexionshülle um den Schallquellenbereich vermitteln, ohne daß die Klarheit der subtilen Einschwingvorgänge und Klangfolgen beeinträchtigt wird, sowie

    - die Empfindung der Einhüllung an allen Hörerplätzen durch eine Vielzahl von genügend starken Reflexionen (bis ca. 50...80 ms nach dem Direktschall und bis ca. 500 Hz betont) außerhalb der Medianebene um den Hörerort herum sowie
    ausreichend lauten und diffusen Nachhallschall!

 

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